Von Jan Honegger, vom 03.06.20

Sehr geehrte Damen und Herren, im National- und Ständerat

Mein Name ist Jan Honegger, ich arbeite seit 10 Jahren in der Pflege. Ich schreibe diese E-Mail an jeden einzelnen Politiker, welcher vom Schweizer Berufsverband für Pflegefachpersonal (SBK) in der Wahlempfehlung aufgeführt worden ist. Meine Intention: Ihnen Fakten, Schwachstellen und Verbesserungsvorschläge welche direkt aus der Praxis kommen aufzuzeigen. Wir Pflegenden wollen keinen einmaligen Gefahrenbonus, wir akzeptieren keinen Gegenvorschlag, wir möchten Gesetzesänderungen, die unsere Arbeitsbedingungen verbessern!

Gegenargumente zum Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative

Der Bund möchte die Pflege im Bereich Bildung mit einer Finanzspritze unterstützen. Mehr Geld in die Ausbildung zustecken, bedeutet, mehr Ausbildungsstätten und mehr ausgebildetes Fachpersonal – So die Idee dahinter. Soweit, so gut. Dies ist der offizielle Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative.

Mir stellen sich jedoch folgende Fragen:

• Wer bildet diese Leute dann aus?

• Wenn es mehr ausgebildetes Fachpersonal gibt, steigt dann auch der vorgegebene Stellenschlüssel? Denn das würde zwingend dazugehören.

• Werden durch diese Massnahmen die Arbeitsbedingungen und der Lohn attraktiver?

In den einzelnen Betrieben werden Lernende und Studierende in der Praxis von Berufsbildner*innen ausgebildet. Diese Zusatzaufgabe bedeutet einen beträchtlichen Mehraufwand, weil er zusätzlich, neben der eigentlichen Pflege geleistet werden muss. Meist wird eine pädagogische Zusatzausbildung gefordert, die teilweise von den angehenden Berufsbildner*innen selbst bezahlt werden muss, oder man ihnen einen Verpflichtungsvertrag abnötigt. Zudem ist es heute fast Standard, dass diese anspruchsvolle Zusatzfunktion anschliessend unentgeltlich, also ohne Funktionszulage wahrgenommen werden muss. Wenn mehr Auszubildende in die Betriebe kommen, bedeutet dies einen ebenfalls grösseren Mehraufwand, um den Lernenden in der Ausbildung wiederum gerecht zu werden. Greift der indirekte Gegenvorschlag unter diesem Aspekt nicht zu kurz?

Man müsste also auch mehr Fachpersonal einstellen und damit die Stellenschlüssel anpassen. Wenn es mehr Fachpersonal gibt, dann können endlich die offenen Stellen besetzt und gekürzte Stellen wiederbesetzt werden. Dies würde wiederum vielen Fachpersonen Gesundheit EFZ (FaGe) eine deutliche Entlastung und weniger Druck bei der Arbeit bringen. Nicht wie heute weitum üblich, müssten FaGe in den Heimen weniger Tagesverantwortung übernehmen, die eigentlich von Dipl. Pflegefachpersonen HF (PFP) wahrgenommen werden müssten. Eine weitere Tatsache ist, dass die von FaGe wahrgenommene Tagesverantwortung eine Gratisleistung ist, weil sie einen tieferen Lohn haben, was an sich unfair ist. Aber was passiert mit dem Stellenschlüssel? Dieser bleibt unerwähnt. Der wird wohl gleich bleiben. Das bedeutet, dass weiterhin gleich viele Personen auf gleich viele Klienten/Bewohner/Patienten zugeteilt arbeiten. Ich gehe mal davon aus, dass dann FaGe’s durch Dipl. Fachpersonal ersetzt werden. Denn in vielen Teams (vor allem in der Nacht) arbeiten bereits schon viele Betriebe mit einer Diplomierten Fachperson und mit Betreuern, anstelle von Fachpersonen Gesundheit, weil es nun mal günstiger ist.

Somit bleiben die Arbeitsbedingungen dieselben, einfach unter anderen Voraussetzungen. Die Arbeit welche momentan viele FaGe’s übernehmen, weil PFP fehlen, übernehmen dann die PFP wieder, weil durch den Stellenschlüssel weniger FaGe’s auf der Abteilung sind. Sie übernehmen sogar wahrscheinlich noch mehr Arbeit, als die FaGe’s dies momentan tun. Denn bleibt der Stellenschlüssel gleich, kann man in die bereits vollen Teams in denen PFP fehlen, keine PFP mehr anstellen und FaGe’s müssten dann gehen. Das heisst der Druck, der Stress steigt wieder massiv bei dem Diplomierten Fachpersonal. Die Arbeitsbedingungen sind weiterhin schlecht. Auch weil der Lohn in allen Berufsgruppen weiterhin derselbe bleibt. Dafür spreche ich für alle: Betreuer/Innen, FaGe’s und Dipl. Fachpersonal, aber auch Funktionen wie Wohngruppenleitungen etc.

Meine persönlichen Anliegen

In immer mehr Betrieben ist es selbstverständlich geworden, dass FaGe’s die Tagesverantwortung übernehmen, weil der Mangel an Diplomierten Fachpersonal einfach überhandnimmt. Es sind einfach zu wenige PFP vorhanden. Und das zum gleichen FaGe Lohn, wie wenn sie keine Tagesverantwortung übernehmen müssen. Tagesverantwortung zu haben, bedeutet jedoch viel mehr Verantwortung und Druck. Ich mache es nicht ungerne, aber die finanzielle Wertschätzung fehlt. Wir dienen sozusagen als Ersatz für PFP und damit wird auf dem Buckel der am wenigsten Verdienenden gespart.

• Ich fordere: FaGe-Gerechte Arbeitsinhalte

Dazu kommt das ich Berufsbildner bin. Und ich mache auch das sehr sehr gerne! Und es ist ein verdammt Wichtiger Teil eines Betriebes und des Gesundheitswesens schlechthin, denn die Lernenden sind unsere und irgendwann auch Ihre Zukunft! Dieser Tatsache müssen wir Sorge tragen und ihnen eine gerechte Ausbildung bieten!

• Ich fordere: Genügend zeitliche und personelle Ressourcen um den Pat. und dem Stiftenpack gerecht zu werden

Ja, aber was beobachte ich in mehreren Betrieben? Der kleine 5-Tägige Kurs wurde mir vom Betrieb bezahlt. Aber eine finanzielle Entschädigung für diese zusätzliche Arbeit gibt es nicht. Und das ist an vielen Orten so. Berufsbildner zu sein bedeutet aber auch sehr viel Schreibarbeit, Prüfungen abnehmen, Gespräche führen, Vorbereitungen etc.

• Ich fordere: Faire Entschädigung und angemessene Weiterbildungsbedingungen

Fazit

Liebe Politiker, es ist Zeit die Pflege mehr wertzuschätzen. Das wurde schon lange nicht mehr so deutlich aufgezeigt, wie jetzt in der Corona Krise. Denn hätten wir in der Vergangenheit bessere Arbeitsbedingungen gehabt, wäre heute mehr verfügbares Personal vorhanden gewesen, welches unser Land unterstützen könnte, denn es hätte viel schlimmer kommen können. Leider sind viele fähige Pflegefachpersonen im Burn Out, haben physische Probleme oder haben ihren Beruf gewechselt, weil sie die Arbeitsbedingungen, die geringe Wertschätzung, der für das Bildungsniveau und die Verantwortungslage schlechten Lohn und die Aus- und Weiterbildungssituation satthaben.

Freundliche Grüsse

Jan Honegger