Von Mariastein Rodriguez, vom 03.06.20

Sehr geehrte Damen und Herren des Ständerats

Mein Name ist Mariastein Rodriguez. Seit mehr als 10 Jahren arbeite ich aus Leidenschaft und Überzeugung auf einer Intensivstation, die sowohl Patienten der inneren Medizin als auch der operativen Disziplinen behandelt. Die Menschen mit lebensbedrohlichen Erkrankungen oder ihre Angehörige zu begleiten, für Sie da zu sein, Sicherheit und Orientierung zu vermitteln, ihnen Ängste oder Schmerzen zu nehmen, ist ein wesentlicher Teil unseres Pflegealltags. Wir betreuen vor allem Pflegesituationen mit raschen Veränderungen, die nicht eindeutig voraussehbar sind und von unterschiedlicher Komplexität. Intern werden wir bei Notfall Situationen gerufen und beteiligen uns an Reanimationssituationen. Der Einsatz und die Bedienung von intensivmedizinischen Geräten, wie zum Beispiel ein 24 Stunden Monitoring, Beatmungsgeräte, Infusionsgeräte, Elektrokardiogramm und verschiedene zu- und abführende Patientenkatheter sind gängige Begleiter unseres Alltags. Weitere Therapiemethoden wie ein Nierenersatzgerät oder Systeme für das Monitoring von wichtiger Hämodynamik- und Kreislaufdaten sind zwar seltener, aber immer wieder im Einsatz. Zusätzlich assistieren wir bei allen ärztlichen Interventionen und begleiten Untersuchungen am Bett wie eine Gastro-, Colon- oder Bronchoskopie.

Patiententransporte

Immer wieder kommt es vor, dass wir stabile oder instabile Patiententransporte organisieren und durchführen, z.B in die Radiologie, was mit einem hohen Organisationsmanagement und transparente Teamkommunikation gekoppelt ist. Nebst den regulären Arbeitsabläufe wie die zugeteilten Patienten zu betreuen, Dokumentation schreiben, interdisziplinäre Gespräche führen, geplante ambulante Interventionen oder Operationen übernehmen, Austritte organisieren, verschiedene administrative Aufgaben bewältigen, Lernende und HFs zu begleiten, haben wir auch parallel die ungeplanten Eintritte zu versorgen. In jeder Schicht hat eine Expertin Intensivpflege noch zusätzlich die Funktion der Schichtleitung, um diese Prozesse zu koordinieren. Schon bei einer normalen Schichtbesetzung mit voller Intensivstation Belegung oder aufwendigen 1:1 Betreuung, kommt man dabei ins Schwitzen.

Schere Anforderung und Umsetzungskapazität klafft auseinander

Wie sie sich denken können, erfordert diese Arbeit eine hohe Belastbarkeit, Flexibilität, viel Organisationstalent und nicht zuletzt Professionalität. Seit meiner Ausbildung klafft aber die Schere der Anforderungen an die Pflege und deren professionellen Umsetzungskapazität immer mehr auseinander. Unter Zeitdruck zu Arbeiten mit dem Mangel an Fachkräfte hat fatale Auswirkungen auf die Pflegequalität. Nicht nur der Personalmangel, sondern auch die immer mehr zusätzlichen internen administrativen Aufgaben und Statistikführung kürzen unsere effektive Zeit am Bett. Können Sie sich vorstellen, wie es sich anfühlt über die Jahre immer wieder diese Sätze im Hinterkopf zu haben: Wie soll ich das bewältigen? Moment, Eins nach dem Andern! Warum bekomme ich nicht genügend Zeit, um meine Arbeit befriedigend zu vollbringen? Hätte ich es besser machen können? Zu genüge habe ich erlebt, wie Lernende ihre Weiterbildung abgebrochen haben oder eine psychische Erkrankung entwickelt haben, ohne Wiedereinstieg in die Pflege. Natürlich, weil sie dem Druck und den Anforderungen nicht standhalten konnten.

Arbeit in vieler Hinsicht unattraktiv

Neue Lernende zu rekrutieren ist schwierig, da unsere Arbeit in vieler Hinsicht nicht attraktiv ist. Dasselbe Spiel offenbart sich bei den Fachangestellten der Intensivstation. Auch körperliche Probleme wie Rückenbeschwerden oder Kopfschmerzen sorgen immer mehr für längere Krankheitsausfälle. Aus den erwähnten Gründen werden auch in unserem Team bestehende Arbeitspläne mehrmals monatlich auf den Kopf gestellt. Sehr oft muss die Schichtleitung wertvolle Zeit vergelten, jemanden aus dem bestehenden Team zu finden, der einspringt. Dies ist eine frustrierende Aufgabe, den die Bereitschaft dazu wird immer geringer. Dann haben wir ein Frauen dominierender Beruf und viele junge Mütter entscheiden sich zu Hause bei den Kleinkindern zu bleiben, da es sich sonst nicht rentiert, um eine kostspielige Kinderbetreuung zu bezahlen. Es werden immer mehr Pflegepersonen vom Ausland mobilisiert, um unsere Defizite in der Schweiz zu kompensieren. Dies ist gelegentlich mit sprachlichen Hindernissen verbunden und die Betroffenen können nicht vollwertig eingesetzt werden, was wiederum zu Lasten des Teams fällt. Die Lösung mehr HFs auf der Intensivstation einzusetzen, ist auch bei uns angekommen. Doch verschlechtert sich der Zustand deren Patienten, muss die Fachangestellte IPS Valenzen haben, eingreifen und übernehmen zu können. Oft verlasse ich das Spital mit einem unsicheren Gefühl: Habe ich an alles gedacht? Erschöpft, weil keine Pause möglich war. Mit Wehmut, weil ich die Pflege am Bett nicht optimal durchführen konnte. Mit Entsetzen, weil wir immer wieder im selben Hamsterrad drehen.

Unter diesen Arbeitsbedingungen weiter zu machen mit der Erfahrung, dass keine Besserung in Sicht ist, belastet mich sehr. Vor kurzem habe ich noch meinen Stellenbeschrieb durchgeblättert. Ironischerweise steht dort unter grundsätzliches: Trägt sorge für ihre eigene Gesundheit. Ich persönlich bin nun an den Punkt gekommen am Ende meiner Kräfte zu sein. Nach unermüdlichem Engagement und Hingabe ist nun auch meine Motivation im Keller. Leider ist es ein inneres Dilemma: Ich liebe meine Arbeit und mein familiäres Team. Was bringt es mir zu künden, den Betrieb zu wechseln, wenn überall im Pflegewesen die Katze im Sack steckt? Was bleibt mir übrig als mich ganz von der geliebten Intensivstation oder dem Pflegeberuf zu trennen? Mit einen letzten Funken Hoffnung wende ich mich an Sie: Bitte, Helfen Sie dem Pflegeberuf! Setzen Sie sich für eine würdige Pflege politisch ein. Helfen Sie mit den Pflegeberuf attraktiver zu gestalten und die Pflegeinitiative des SBK politisch zu vertreten. Nicht nur wir an der Front, sondern alle Pflegebedürftige Menschen in der Schweiz sind auf Ihre Unterstützung angewiesen. Herzlichen Dank für Ihre kostbare Zeit. Ich wünsche Ihnen alles Gute und bleiben Sie gesund!

Mit freundlichen Grüssen Mariastein Rodriguez