Von Sonja Indermaur, vom 02.07.20

Sehr geehrte Damen und Herren des National- und Ständerates

Mein Name ist Sonja Indermaur. Seit 2001 arbeite ich in der Pflege, zuerst als „normale“ Pflegefachfrau auf diversen Abteilungen und Spitälern, seit 2011 auf einer Intensivstation als Expertin für Intensivpflege.

Ich habe in diesen schon fast 20 Jahren Einiges mitgemacht und erlebt. Sei es der Wandel der Ausbildung (meine Lehre dauerte noch 4 Jahre, aktuell dauert die Lehre 3 Jahre), die Anpassung der Berufsbezeichnung (von Krankenschwester zur diplomierten Pflegefachfrau/Pflegefachmann), aber auch die Erschaffung des neuen Berufes Fachangestellte Gesundheit und dem damit verbundenen „Skill and Grade-Mix“ auf den Pflegestationen.

Diese Bemühungen haben unter anderem zum Ziel, mehr junge Leute für die Pflege zu gewinnen. Leider kann ich Ihnen aber versichern, dass viele der jungen Leute, welche diesen Werdegang wählen, schnell wieder aus der Pflege aussteigen. Sie erleben eine grosse Diskrepanz zwischen dem, was in der Theorie gelehrt wird und dem, wie es in der Praxis umgesetzt wird.

Frust bei der Arbeit

Die Zeit, alle Dinge wie gelernt anzuwenden bleibt meist schlichtweg nicht, da der Personalschlüssel sehr knapp ist. Fällt dann noch jemand krankheitshalber aus, bleibt erst recht keine Zeit. Diesen Frust erlebe ich selbst bei meiner Arbeit fast täglich. Aufgrund dessen frage ich mich immer wieder, ob ich wirklich weiterhin in der Pflege bleiben soll.

Eigentlich bin ich nach wie vor sehr gerne im Pflegeberuf, die vielen verschiedenen Anforderungen reizen mich immer noch. Die schnell wechselnden Situationen auf einer Intensivstation, die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Disziplinen und im Team lassen mich gerne arbeiten gehen. Allerdings habe ich immer mehr Mühe damit, dass es mir neben den medizinischen Aufgaben immer öfter an der Zeit fehlt für pflegerische Tätigkeiten und Gespräche mit dem Patienten (oder auch seinen Angehörigen). Diese Gespräche sind in unserem Beruf aber immens wichtig, einerseits um relevante Informationen über den Patienten zu sammeln und ihn so umfassend betreuen zu können, andererseits auch, um Ihn und seine Angehörigen in dieser schwierigen Zeit der kritischen Krankheit begleiten zu können.

Anforderungen Personal steigen

Durch die immer komplexer werdenden Patientensituationen (immer ältere Patienten mit immer mehr Krankheiten) steigen die Anforderungen an das Personal immer weiter. Nur mit einer entsprechenden Ausbildung kann die Gesamtsituation der Patienten erfasst und die Pflege dementsprechend ausgerichtet werden. Deshalb ist es unabdingbar, dass es weiterhin gut ausgebildetes Personal in den Spitälern und anderen medizinischen Einrichtungen zur Verfügung hat.

Aus diesem Grund wende ich mich an Sie, liebe Politikerinnen und Politiker. Sie sind in einer Position, in der Sie die Möglichkeit haben, sich für die Pflege einzusetzen.

Gerade in der jetzigen Zeit wurde deutlich aufgezeigt, wie wichtig und systemrelevant unsere Berufsgruppe ist.

Ich bedanke mich, dass Sie sich die Zeit genommen haben meine Gedanken zu lesen. Ich hoffe, wir können auf Ihre Unterstützung zählen. Bleiben Sie gesund.

Mit freundlichen Grüssen

Sonja Indermaur